Montag, 29. November 2010

03.08.2010: Vucherens - Préverenges (30 km)

3. Reise/4. Tag

Manchmal beginnen die schwärzesten Tage so, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Ich verlasse Vucherens zwar ein bisschen wehmütig - die Menschen, die mir hier ein Zuhause anboten, die kleine Kapelle, die Luft, die Landschaft, die einsamen Wege. Aber irgendwie freue ich mich auch auf Lausanne. Und der erste Blick von der Kapelle St. Laurent hinab auf den Genfer See macht mich still und dankbar. Was für eine Aussicht.

Guten Mutes passiere ich die ersten hohen Häuser am Stadtrand und schaue mir die Kathedrale Notre Dame an. Ich bin früh dran, eigentlich ist keine Eile geboten. Aber ein dumpfes Gefühl in der Magengegend treibt mich dann doch in die nächste Telefonzelle. Nach einer halben Stunde habe ich alle Adressen durch und kein Bett. In der Touristeninformation tut man so, als würde man zum ersten Mal einen Pilger sehen.

Der Rest tut weh und ist schnell erzählt: Ich klappere einige Hotels ab, die sich eigentlich sowieso kein Mensch leisten kann, im dritten oder vierten hat man zwar noch ein Bett, macht mich aber drauf aufmerksam, dass dies ein 3-Sterne-Hotel sei und keine Pilgerherberge und dass ich mich dementsprechend zu verhalten hätte. Ich schaue ungläubig in kalte, arrogante Augen und weiß plötzlich, dass ich schon viel zu lange hier in dieser Stadt bin, in der ich nicht erwünscht bin und die in der warmen Abendsonne plötzlich kühl und hässlich wirkt. Ich muss hier weg.

Ich frage mich irgendwie durch und versuche, auf kürzestem Wege Lausanne hinter mir zu lassen. Durchatmen kann ich erst, als ich in Vidy wieder auf den signalisierten Jakobsweg treffe. Inzwischen ist es nach 18:00 Uhr und jeder Schritt wird zur Qual. Nach einem Blick in den Reiseführer wird mir klar, dass der Weg wohl mehrere Tage direkt am Genfer See entlangen führen wird, wo es nur wenige günstige Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Und dann geht der Rest auch noch schief: Falsche Telefonnummern, geschlossene Unterkünfte, ausgebuchte Pensionen und Hotels.

Le Lac Leman - der Genfer See
Ich halte mich nur mit Mühe noch aufrecht, versuche irgendwie vorwärts zu kommen, vorbei an frisch geduschten Touristen und Feierabendjoggern. Ich vermeide, mich auf einer Bank auszuruhen, weil ich befürchte, dass ich irgendwann einfach sitzen bleibe.

Ich ertappe mich bei dem Gedanken, zu warten bis es ganz dunkel ist und dann verbotenerweise im warmen Sand am Strand des Genfer Sees zu übernachten. Diese Möglichkeit tröstet mich beinahe: Ich muss nicht laufen bis ich tot umfalle.

Endlich ist das Hotel in Sicht, das im Reiseführer als günstig und pilgerfreundlich beschrieben wird. Die Telefonnummer hatte wohl nicht gestimmt, meine Anrufe landeten immer im Nirvana. Schnell wird mir klar, warum: Es hat den Besitzer gewechselt und ist jetzt keineswegs mehr günstig und pilgerfreundlich.

Ich schaffe es grade noch unter die Dusche, dann falle ich in mein 150 SF teures Bett und in einen komaähnlichen Schlaf.


Soundtrack of the day: Chris Pureka - Grey

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