Dienstag, 30. November 2010

21.09.2010: Le Puy-en-Velay - Saint-Privat-d'Allier (24 km)

4. Reise/7. Tag

Zu dritt haben wir uns um 07:00 Uhr zur Pilgermesse verabredet. Ich? Pilgermesse? Okay, okay. Ich sehe ein, dass Walters Verabschiedung eines gewissen Rahmens bedarf, der ihm würdig ist. Noch nehme ich seinen Abschied auf die leichte Schulter. Aber dann kommt es anders.

Als ich da mit den vielen anderen Pilgern schweigend in der Kathedrale stehe, wundere ich mich über meine Dünnhäutigkeit.

Immer wieder an diesem Tag ringe ich nach Fassung. Was für eine seltsame Stimmung. Mit dem Augenblick, als Walter fort ist, hat Le Puy plötzlich ein anderes Gesicht bekommen. Ich gehe durch Gassen und Straßen, verlaufe mich immer wieder, verzettele mich in irgendwelchen Geschäften. Ich kann mich nicht dazu durchringen, endlich loszulaufen. Zwischendurch erschrecke ich vor meinen eigenen negativen Gedanken: Ich ziehe plötzlich sogar in Betracht, den Weg abzubrechen und schnurstracks nach Hause zu fahren. Ich habe keine Lust zu laufen. Und reden will ich sowieso mit niemandem. Reden konnte man doch sowieso am besten mit Walter. Also was sollte das alles noch?

Es wird Mittag in Le Puy und ich stehe immer noch verloren irgendwo herum und warte auf jemanden, der mich auf den Weg prügelt. Als ich ein Bett in Saint Privat reservieren will, hoffe ich für einen kurzen Augenblick, dass keines mehr frei ist. Pech gehabt.

Und dann renne ich einfach los. MP3-Player im Ohr, Blick auf den Boden und ab dafür. Ich überhole grußlos Pilger um Pilger. Sprecht mich bloß nicht an! Ich will meine Ruhe haben! Ich bin wütend und habe keine Ahnung, auf wen.

Saint-Privat-d'Allier

Später irgendwann werde ich dem Himmel danken, dass ich da durch bin. Dass ich weitergemacht habe. Dass ich völlig ohne Motivation doch irgendwie weitergegangen bin.

In Saint Privat bin ich körperlich total ausgepowert, aber lammsanft. Die Dämonen in meinem Kopf sind besiegt.

I got one hand reaching for heaven, and the other one is dragging in the dirt. (Christian Kjellvander)


Okay, es kann weitergehen.

Soundtrack of the day: Christian Kjellvander - Two souls

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